So können Waldbesitzer vom Handel mit CO2-Zertifikaten profitieren
Ecosystem Value Association e.V www.ecosystemvalue.org
Einleitung:
Im Kontext der Forstwirtschaft sind Nachhaltigkeit und Klimaschutz von großer Bedeutung. CO₂-Zertifikate und die Umwandlung in Mischwälder spielen eine Schlüsselrolle, um Wälder im Klimawandel zu bewahren und gleichzeitig wirtschaftlich tragfähig zu bleiben. Die Ecosystem Value Association (EVA) setzt sich dafür ein, Waldbesitzern Zugang zum freiwilligen CO₂-Markt zu ermöglichen. Hier können Zertifikate gehandelt werden, um die finanzielle Basis für den Erhalt und die nachhaltige Bewirtschaftung der Wälder zu sichern. Dabei werden marktfähige Ökosystemleistungen entwickelt, um sowohl Umwelt- als auch wirtschaftliche Ziele zu erreichen.
Autorenprofil:
Der Forstwirt Alexander Zeihe ist Sprecher des Vorstandes und Gründer der Ecosystem Value Foundation (EVA), die sich für die Wertschätzung und den Schutz von Ökosystemleistungen einsetzt. Mit seiner umfassenden Erfahrung als Geschäftsführer von KONTOR Advisory Partners GmbH und seiner Tätigkeit als Berater für mehrere Organisationen wie Brainforest und Carbonauten GmbH, ist Zeihe ein anerkannter Experte für nachhaltige Forstwirtschaft. Seine Arbeit fokussiert sich auf die Entwicklung skalierbarer und wissenschaftsbasierter Lösungen, um Waldbesitzer am CO₂-Markt partizipieren zu lassen und die ökologischen und wirtschaftlichen Herausforderungen des Klimawandels zu bewältigen.
1. Herr Zeihe, Sie sind Sprecher des Vorstandes und Gründer der Ecosystem Value Association (eva) e.V.. Können Sie uns zunächst einmal erklären, was Sie zur Gründung der Ecosystem Value Association motiviert hat und wofür sich der Verein konkret einsetzt?
A. Zeihe: Also der Verein ist nicht einfach nur ein Verein, sondern mittlerweile eine Stiftung namens Ecosystem Value Alliance, kurz EFA Foundation. Die Motivation zur Gründung entstand aus der Tatsache, dass es in Deutschland bisher keine Möglichkeit gab, Waldbesitzer oder generell Landnutzer am freiwilligen CO2-Markt partizipieren zu lassen. Ich bin fest davon überzeugt, dass es unerlässlich ist, Instrumente zu entwickeln, die skalierbare und wissenschaftsbasierte Ökosystemleistungen wertsetzbar machen.
In den letzten Jahren haben wir uns auf den freiwilligen Kohlenstoffmarkt konzentriert, damit Waldbesitzer über diesen Markt eine Kofinanzierung erhalten können, um ihren Wald im Kontext des Klimawandels zu erhalten. Mittel- bis langfristig möchten wir auch weitere Ökosystemleistungen wertsetzen, wie Artenvielfalt und Wasser, je nachdem, welche Leistungen der Wälder neben dem Kohlenstoffspeicher noch marktfähig sind.
Wir glauben, dass marktfähige Ökosystemleistungen über die private Wirtschaft refinanziert werden sollten. Weniger marktgängige Leistungen wie Erholung, Erosionsschutz und Luftreinigung sollten hingegen über Fördermechanismen kofinanziert werden. Am Ende müssen Waldbesitzer und alle, die sich um Wälder oder andere Ökosysteme kümmern, genügend finanzielle Mittel erhalten, um ihre Ökosysteme im Klimawandel zu erhalten.
Meine Motivation rührt auch aus meiner Erfahrung als Hauptgeschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzer, wo ich täglich die Probleme und Herausforderungen von Waldbesitzern miterlebt habe. Ich bin der Überzeugung, dass wir sowohl staatliche als auch private Lösungen etablieren müssen und dafür braucht es Initiativen wie unsere, die es bisher noch nicht gab.
Bestehende Standards und Bewertungssysteme sind oft sehr analog. Mitbewerber wie Verra und Gold Standard haben eine hohe Komplexität und geringe Benutzerfreundlichkeit, die viel Geld und Zeit erfordern, bevor ein Projekt entwickelt werden kann. Im internationalen Kontext dauert es oft 12 bis 24 Monate, bis ein Projekt durch ist und Credits vergeben werden. Das ist uns zu langsam und zu wenig skalierbar. Wir möchten unter Beibehaltung der Qualität schneller und kosteneffizienter sein. Unser Waldklimastandard ist der erste voll digitale Standard, der es Waldbesitzern ermöglicht, ein Klimaschutzprojekt in vier bis acht Wochen zu entwickeln.
2. Zur Finanzierung der Waldumbaumaßnahmen sollen CO2-Zertifikate durch den Besitz von Waldgrundstücken auf dem freiwilligen Markt gehandelt werden. Können Sie einmal für Laien erklären, was CO2-Zertifikate sind und welche Rolle sie in dem Bemühen spielen, den Klimawandel einzudämmen?
A. Zeihe: CO2-Zertifikate sind im Grunde Einheiten, die jeweils eine Tonne gespeichertes Kohlenstoffäquivalent repräsentieren. Sie dienen als Maßeinheit, mit der Unternehmen Klimaschutzbemühungen einkaufen und gleichzeitig Klimaschutzprojekte refinanziert werden können. Diese Zertifikate können entweder im naturbasierten Bereich, wie im Wald oder in der Landwirtschaft, oder durch technische Lösungen, wie Direct Air Capture, genutzt werden. Beispiele für technische Lösungen sind Unternehmen wie Climeworks, die auf Island CO2-Filteranlagen betreiben.
Ein CO2-Zertifikat entsteht durch zwei wesentliche Elemente. Erstens gibt es das Referenzszenario, das darstellt, wie viel Kohlenstoff gespeichert würde, wenn der Waldbesitzer nichts unternimmt. Zweitens gibt es das Projektszenario, das zeigt, welche zusätzlichen Bemühungen der Waldbesitzer unternimmt, wie etwa das Einbringen klimaplastischer Baumarten, die im Klimawandel besser überleben können.
Das Delta, also die Differenz zwischen dem Projektszenario und dem Referenzszenario (auch Baseline genannt), ergibt die Menge an zusätzlichen CO2-Zertifikaten, die das Projekt generiert. Diese zusätzlichen Zertifikate können dann vom Waldbesitzer verkauft werden, wodurch er finanzielle Mittel für seine Klimaschutzmaßnahmen erhält.
3. Die CO2-Zertifikate im Rahmen Ihrer Projekte bei eva werden auf dem freiwilligen Markt gehandelt. Können Sie uns einmal erklären, was der “freiwillige Markt” ist, welche weiteren Märkte es gibt und wie sich diese voneinander unterscheiden?
A. Zeihe: Es gibt zwei Marktmechanismen oder Märkte: den EU ETS (European Emission Trading System) und den freiwilligen Kohlenstoffmarkt. Der EU ETS ist der verpflichtende Markt, in dem etwa 1900 Unternehmen in Deutschland gesetzlich verpflichtet sind, Emissionsrechte zu kaufen. Dieser Markt ist staatlich reguliert und es wird jährlich eine bestimmte Menge CO2-Zertifikate an die Unternehmen ausgegeben. Jedes Unternehmen erhält ein festgelegtes Budget an CO2-Zertifikaten, die sie benötigen, um ihre Emissionen abzudecken. Das System funktioniert nach dem Cap-and-Trade-Prinzip, wobei die Gesamtmenge der ausgegebenen Zertifikate jedes Jahr reduziert wird, um die Emissionen zu senken. Unternehmen, die ihre Emissionen schneller reduzieren, können überschüssige Zertifikate verkaufen, während Unternehmen, die weniger erfolgreich sind, zusätzliche Zertifikate kaufen müssen. Diese Zertifikate sind an der Leipziger Börse gehandelt worden und die Preise lagen in den letzten Jahren zwischen 60 und 80 Euro pro Tonne CO2.
Der freiwillige Kohlenstoffmarkt funktioniert anders. Hier können Unternehmen unterschiedlichste Zertifikatstypen erwerben, um ihre freiwilligen Klimaschutzziele zu erreichen. Ein großer Leitstandard ist die Science Based Target Initiative, die wissenschaftsbasierte Klimastrategien für Unternehmen entwickelt. Auf dem freiwilligen Markt unterscheidet man zwischen Avoidance-Zertifikaten, die Emissionsvermeidungen darstellen, und Removal-Zertifikaten, die tatsächliche CO2-Entfernungen aus der Atmosphäre repräsentieren. Die Preisbildung auf diesem Markt ist frei und hängt von der Art und Qualität der Zertifikate ab.
Es gibt Kritik, dass Unternehmen nicht immer transparent kommunizieren, welche Zertifikate sie kaufen und wie diese verwendet werden. Die Europäische Union arbeitet derzeit an neuen Richtlinien wie der Green Claim Directive und der Corporate Social Responsibility Directive, um diesen Markt weiter zu regulieren und die Glaubwürdigkeit der Zertifikate zu sichern. Eine weitere wichtige Initiative auf EU-Ebene ist das Carbon Removal Certification Framework (CRCF), das Standards für die Zertifizierung von CO2-Entfernungen festlegt. Der freiwillige Markt wächst stetig, und es besteht eine steigende Nachfrage nach regionalen Klimaschutzprojekten in Deutschland. Wir schätzen, dass der Markt derzeit bei etwa 100 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten liegt, wobei der Großteil dieser Zertifikate im außereuropäischen Ausland gekauft wird. Es gibt jedoch einen hohen Bedarf an nationalen Klimaschutzprojekten, und wir tragen mit der Entwicklung unseres Standards dazu bei, diesen Bedarf zu decken.
4. Welche konkreten Vorteile ergeben sich für den Besitzer von CO2-Zertifikaten?
A. Zeihe: Zunächst einmal ist es wichtig, auf die Qualität der CO2-Zertifikate zu achten, da es unterschiedliche Qualitätsstufen gibt. Hochwertige Carbon Removal Zertifikate bieten dem Käufer mehrere Vorteile. Erstens hat er eine hohe Reputationssicherheit seines Investments. Diese Zertifikate werden regelmäßig überprüft, um die tatsächliche CO2-Speicherleistung zu verifizieren. Bei uns führen wir alle fünf Jahre eine Rezertifizierung durch, um die gespeicherte Tonnage auf der Fläche zu überprüfen. Dadurch kann der Käufer die Validierung und Verifizierung nachvollziehen.
Zweitens erfüllt er damit die Berichtsverpflichtungsanforderungen des Nachhaltigkeitsberichts, insbesondere der CSRD (Corporate Social Responsibility Directive). In diesem Bericht werden explizit die Umweltbilanzierung, die Emissionen in Scope 1, 2 und 3 sowie die Maßnahmen zur Emissionsminderung aufgeführt. Hochwertige CO2-Zertifikate helfen, diese Berichte qualitativ aufzuwerten und die Investitionen in Klimaschutzprojekte zu dokumentieren.
Drittens, wenn sich der Käufer an die Green Claim Directive hält und die Claims ordnungsgemäß anwendet, verbessert dies die Reputation seiner Kommunikation erheblich. Mit dem Erwerb von CO2-Zertifikaten leistet der Käufer nicht nur einen Beitrag zum Klimaschutz, sondern kofinanziert auch weitere Co-Benefits, die natürliche Klimaschutzlösungen bieten. Ein Waldökosystem liefert beispielsweise nicht nur den Kohlenstoffspeicher, sondern auch zahlreiche weitere Ökosystemleistungen. Diese zusätzlichen Leistungen werden durch die Investition des Käufers mitfinanziert und erhalten, was einen besonderen Beitrag zum natürlichen Klimaschutz darstellt. Je nach Projekttyp können diese Co-Benefits erheblich sein.
5. Welche konkreten Empfehlungen würden Sie Privatpersonen mit Waldbesitz aussprechen, die von dem Waldumbau und dem Handel mit CO2-Zertifikaten profitieren wollen?
A. Zeihe: Besitzen Sie CO2-Zertifikate, sollten Sie sich zunächst mit uns und unseren Mitbewerbern auseinandersetzen. Es ist wichtig, sich einen genauen Überblick über den Ablauf und den Aufbau von Klimaschutzprojekten auf den Zertifizierungsplattformen zu verschaffen. Anschließend sollten Sie beurteilen, ob und inwieweit Sie diese Projekte eigenständig oder mit Unterstützung von Forstfachpersonal oder einem Projektentwickler durchführen können.
Im nächsten Schritt ist es relevant, sich Gedanken darüber zu machen, wie Sie die CO2-Zertifikate vermarkten möchten. Möchten Sie diese direkt an ein regional ansässiges Unternehmen oder einen Mittelständler verkaufen? Dies könnte einen höheren Zertifikatepreis einbringen, da kein Vermittler dazwischen ist. Alternativ können Sie sich entscheiden, den Aufwand zu minimieren und die Zertifikate an große CO2-Händler abzutreten. In diesem Fall müssten Sie als Waldbesitzer den Kontakt zu diesen Händlern herstellen und das Projekt dort vermarkten.
Hilfreich ist dabei unsere Registry und die Projektkommunikation. Für jedes Projekt gibt es ein PDD (Project Design Document), in dem die Maßnahmen detailliert beschrieben werden. Dieses Dokument können Sie nutzen, um an einzelne Endkunden heranzutreten und Verhandlungen zu führen.