Strategien zur nachhaltigen Forstwirtschaft

Autorenprofil

Maximilian Sayn-Wittgenstein ist Geschäftsführer eines forstwirtschaftlichen Betriebs und verfügt über langjährige Erfahrung in der nachhaltigen Bewirtschaftung von Waldflächen. In seinem Betrieb in der Region Siegen-Wittgenstein sieht er sich täglich mit Herausforderungen wie den Auswirkungen des Klimawandels, Borkenkäferbefall und den finanziellen Risiken der Aufforstung konfrontiert. Sayn-Wittgenstein nutzt innovative Ansätze wie die Integration von CO2-Zertifikaten, Windkraftprojekten und Jagdverpachtungen, um seinen Forstbetrieb langfristig wirtschaftlich tragfähig zu gestalten. Durch seine fundierte Expertise in der Verbindung von Forstwirtschaft und alternativen Einnahmequellen gilt er als gefragter Ansprechpartner in der Branche.

Einleitung

Aktuell stehen die Zeichen der Forstwirtschaft auf Nachhaltigkeit: Umwandlung in Mischwälder, die Schaffung von Ökopunkten und CO₂-Zertifikaten  und Windkraft spielen eine zentrale Rolle, wenn es um die Thematik der umweltgerechten Bewirtschaftung des Waldes geht. Trotz der Aufforstung im Einklang mit der Natur muss der Forstbetrieb dennoch ausreichend lukrativ bleiben.

1. Herr Sayn-Wittgenstein, als Geschäftsführer eines forstwirtschaftlichen Betriebes, können Sie uns erzählen, vor welchen besonderen Herausforderungen Forstbetriebe aktuell stehen ?

M. Sayn-Wittgenstein: Ja, heutzutage hat man als Forstwirt das Problem, dass man einer relativ komplizierten Situation gegenübersteht. In Deutschland hatten wir massive Schäden oder Kalamitäten, wie es forstwirtschaftlich heißt. Das bedeutet, dass verschiedene Bereiche – insbesondere die mit Fichten bewirtschaftet wurden – vollständig ausradiert worden sind. Der Borkenkäfer hat Millionen von Festmetern Holz vernichtet und diese forstwirtschaftlichen Flächen liegen jetzt brach.

Jeder Forstwirt muss sich überlegen, wie er diese Flächen innerhalb von vier Jahren wieder aufforsten kann. Das kostet über 10.000 Euro pro Hektar, was bei 100 Hektar schon eine Million Euro bedeutet – Geld, das die Forstwirte oft nicht haben. Denn die Kalamitäten führten dazu, dass die deutschen Sägewerke das viele Holz nicht mehr aufnehmen konnten. Dadurch sind die Preise kollabiert. Es hat meinen Betrieb etwa 25 Euro gekostet, das Holz zu schlagen und zu rücken, aber ich habe nur 20 Euro pro Festmeter Holz erhalten. Früher hätte ich 90 Euro pro Festmeter bekommen und 20 Euro für das Schlagen und Rücken gezahlt, was eine Marge von 70 Euro bedeutet hätte.

Das heißt also, der Wald liegt brach  und man hat kein Geld verdient, sondern sogar noch Geld verloren. Das Holz musste dringend aus dem Wald entfernt werden, bevor die Käfer die nächsten Bäume anstecken konnten. Doch auch das hat nicht geholfen und viele Betriebe stehen aktuell vor dem Nichts.

Die nächste Herausforderung ist, wie man den Wald wieder aufforsten kann. Zunächst muss geklärt werden, ob es Förderungen oder mögliche Einnahmen durch  CO2-Zertifikate oder Ökopunkte gibt, die man nutzen kann, um diese Aufforstung zu unterstützen oder vollständig zu finanzieren. Forstwirte haben typischerweise eine Cashflow-Rendite von etwa 3 Prozent, wenn alles gut läuft und keine Kalamitäten auftreten. Das bedeutet, man hat ohnehin schon eine sehr niedrige Rendite und muss zusätzlich mit den Risiken von Kalamitäten rechnen. Forstwirtschaft ist keine Investition, bei der man für 10 Euro kauft und für 20 Euro verkauft, sondern meist ein Traditionsbetrieb, den man erbt und weitervererbt.

Daher braucht man für dessen Erhalt zusätzliche Einnahmequellen wie Ökopunkte, CO2-Zertifikate, Förderungen und Subventionen durch den Staat. Gleiches gilt für Jagdpachten und jede andere Art von zusätzlicher Einnahmequelle, um das Halten des Waldes rentabel zu machen und den Erhalt zu sichern. Gleichzeitig nimmt die Bürokratie zu, es gibt immer mehr Regelungen und Verbote und plötzlich hat man Fauna-Flora-Habitat-Schutzgebiete oder Naturschutzparks, die die Möglichkeiten, mit dem Wald Rendite zu erzielen, reduzieren.

Man hat die Pflicht, Wege in einem Zustand zu halten, dass Besucher sicher durch den Wald gehen können. Dafür muss man Geld ausgeben, erhält aber keine Einnahmen von den Besuchern. Das ist keine gute Situation und ohne Nebenerwerbsquellen geht es heute nicht mehr.

2. Könnten Sie uns einen Überblick darüber geben, welche Möglichkeiten Waldbesitzer traditionell haben, die ihr Grundstück verpachten möchten und gibt es darüber hinaus Entwicklungen, die genutzt werden können, um alternative Einnahmen zu erzielen?

M. Sayn-Wittgenstein: Typischerweise verpachten Forstwirte weniger die forstwirtschaftliche Nutzung des Waldes als einzelne Rechte: Wenn ein Förster beispielsweise einen Teich im Wald hat, kann er nicht nur ein Jagdrecht – also eine typische Jagdpacht –, sondern auch ein Fischereirecht vergeben. Diese Beispiele sind typische Wege, neben der klassischen Holzwirtschaft Geld zu verdienen. 

Der Weg dorthin ist relativ kompliziert, weil es nur wenige Medien gibt, über die Jagdpachten in Deutschland vermittelt werden. Im Online-Magazin „Wild und Hund“ kann man beispielsweise eine Annonce schalten, die dann in der gedruckten Ausgabe zu finden ist. Ansonsten hat man eigentlich nur lokal vor Ort die Möglichkeit, mit den einzelnen Protagonisten zu sprechen. In der Regel fragen Interessierte selbständig bei den größeren Verwaltungen an. Bei uns wäre es dann so, dass ich wahrscheinlich den Staatsförster fragen würde, ob er von irgendwelchen Pachtgesuchen weiß. Also nein, es gibt eigentlich keine neuen Entwicklungen.

3. Welche konkreten Vor- und Nachteile sehen Sie für Waldbesitzer durch die Jagdverpachtung und an wen würden Sie diese Praxis insbesondere empfehlen?

M. Sayn-Wittgenstein: Wir verpachten eigentlich alle unsere Reviere und haben dadurch in diesem Bereich viel Erfahrung gesammelt. Es ist immer eine Abwägung zwischen Gewinnmaximierung und der Frage, wen man sich ins Boot holt. Man muss darauf achten, dass man nicht jemanden hat, der lediglich einen „Wildpuff“ aufbauen möchte, also möglichst viel Wild ansammelt, aber nichts schießt. Denn je mehr Wild auf einem Hektar steht, desto größer sind die Schäden, die entstehen – sei es durch Schäden an den Bäumen oder durch Wildschweine.

Wenn ein Hirsch einen Baum schält, geschieht das in der Regel bis zu einer Höhe von 2,50 Metern. Diese Höhe umfasst das dickste Stammholz. Wird der Baum beschädigt, wird das Holz rot und faul, und sein Wert sinkt drastisch. Statt der üblichen 90 Euro pro Festmeter erhält man dann vielleicht nur noch fünf oder sechs Euro.

Deshalb ist es wichtig, darauf zu achten, dass die Jagdpachten nicht zu lang sind. Früher waren die Pachtverträge oft auf 10 Jahre angelegt, um dem Jagdpächter die Gelegenheit zu geben, das Revier zu entwickeln. Heute sehe ich das anders. Ein Jagdpachtvertrag sollte kürzer sein und es sollte die Möglichkeit geben, selbst einzugreifen, wenn die Abschusszahlen nicht erfüllt werden. Das heißt, man sollte die Möglichkeit haben, selbst in die Jagd einzugreifen, um die notwendigen Abschüsse zu erreichen.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Fütterung. Der Pächter darf eigentlich nur an einer Stelle füttern, meist im Winter. Man muss sicherstellen, dass die Fütterung nicht außerhalb der Notzeiten erfolgt und dass es wirklich nur einen Futterplatz gibt. Andernfalls könnte der Pächter Wild aus umliegenden Revieren anlocken.

In einigen Fällen haben wir gesehen, dass auf 100 Hektar Wald nicht nur die üblichen 10 Stück Rotwild standen, sondern 50 bis 70 Stück. Das ist natürlich viel zu viel und führt zu erheblichen Problemen.

4. CO2-Zertifikate sind ein hochaktuelles Thema, insbesondere für Waldbesitzer. Könnten Sie erklären, wie Waldbesitzer durch den Handel mit CO2-Zertifikaten profitieren können?

M. Sayn-Wittgenstein: Ja, also am Ende des Tages ist es so, wie ich vorhin schon angedeutet habe: Wenn ein Revier oder eine Fläche neu aufgeforstet oder in Mischwald umgewandelt wird, wird CO₂ gebunden, das zuvor nicht gebunden war. Es gibt dann die Möglichkeit, sich über verschiedene Agenturen zertifizieren zu lassen. Hier sollte man genau darauf achten, welche Agenturen besser sind, da einige Zertifikate mehr Geld einbringen oder besser handelbar sind.

Die CO₂-Zertifikate, die man erhält, werden in der Regel in Tonnen CO₂ ausgedrückt und können am freien Markt verkauft werden. Es gibt Handelsplattformen, auf denen man sein Projekt anbieten kann, und Firmen, die diese CO₂-Zertifikate kaufen. Diese Zertifikate können dann an interessierte Käufer verkauft werden.

Da ist ein System dahinter. Gerade wenn man neu aufforsten oder anpflanzen muss – im forstwirtschaftlichen Jargon spricht man von Aufforstung –, macht es Sinn, sich mit dieser Thematik auseinanderzusetzen. In Deutschland gibt es zwei, drei Agenturen, die in diesem Bereich tätig sind. Wir verwenden die EVA, die auch international akkreditiert ist, weil wir glauben, dass diese Zertifikate fungibler sind, also eine höhere Nachfrage im Markt erfahren werden.

Das ist ein sehr gutes Geschäft, da man einen guten Teil seiner Aufforstungskosten dadurch kompensieren kann, vorausgesetzt, man verkauft die Zertifikate erfolgreich. Allerdings ist dieser Markt extrem langsam, ähnlich wie der Ökopunkte-Markt. Man muss dranbleiben und darf nicht erwarten, dass man etwas aufforstet, CO₂-Zertifikate erhält und diese sofort verkaufen kann. Es handelt sich um einen Prozess von ein bis zwei Jahren, bis solche Ökopunkte oder CO₂-Zertifikate über den Markt gehen.

5. Die Windenergie wird aufgrund der Energiewende Deutschlands stark gefördert. Wie können Waldbesitzer von der Integration von Windenergieanlagen in ihren Wäldern profitieren und welche Schritte und Herausforderungen müssen dabei berücksichtigt werden?

M. Sayn-Wittgenstein: Also, es gibt forstwirtschaftliche Flächen, die sich für den Bau von Windkraftanlagen eignen. Dabei spielt die Windhäufigkeit am Standort eine eher untergeordnete Rolle, weil moderne Anlagen mittlerweile so hoch sind, dass sie in der Höhe fast immer Wind  vorfinden. Selbst wenn es vor Ort windstill erscheint, kann in höheren Lagen ausreichend Wind vorhanden sein. Ein entscheidender Faktor ist daher die Höhe, in der die Anlage errichtet werden kann.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Lage der Flächen. Sie müssen weit genug von Ansiedlungen und Schutzgebieten entfernt sein. Direkt in einem Schutzgebiet zu bauen, ist nahezu unmöglich und verkompliziert die Genehmigungsprozesse erheblich. Wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, kann es sinnvoll sein, eine Windkraftanlage zu errichten.

Die Prüfung, ob ein Standort geeignet ist, kann von spezialisierten Seiten wie Ökopunkte-Markt übernommen werden. Windenergieanlagen (WKAs) werden in der Regel von Projektentwicklern errichtet. Als Verpächter des Landes erhält man dann eine Vergütung, die sich aus einer Umsatzbeteiligung am Erlös des verkauften Stroms zusammensetzt – abgesichert durch eine Mindestmiete. Heutzutage werden oft 7-Megawatt-Anlagen gebaut, die auf einer Fläche von etwa 2 Hektar eine jährliche Mindestpacht  von rund 70.000 Euro einbringen können. Das ist ein weit überdurchschnittlicher Ertrag im Vergleich zu anderen Nutzungsmöglichkeiten wie Jagdpacht oder Forstwirtschaft.

Ein weiterer Punkt ist die Sicherstellung der Kabelanbindung zum nächstgelegenen Umspannwerk oder Energieeinspeisungspunkt. Bei der Realisierung von Windkraft im Forst können Ökopunkte benötigt werden, die man möglicherweise selbst schaffen und an den Projektentwickler verkaufen kann. Besonders attraktiv wird es, wenn mehrere Windkraftanlagen errichtet werden können, da sich dann die Durchschnittskosten reduzieren und die Mindestpacht steigt.

Wichtig ist, dass der ausgewählte Projektentwickler gut zur Region passt. Häufig scheitern solche Projekte an kommunalen Widerständen, der Bundeswehr oder an verschiedenen Interessengruppen. Es ist daher vorteilhaft, einen politisch gut vernetzten Projektentwickler zu haben. Idealerweise wäre sogar einer in staatlicher Hand, da dieser die nötige politische Unterstützung und die richtigen Kontakte mitbringt. Ein solcher Entwickler kennt die Sprache der Kommunen und hat die erforderlichen Lobbyisten, um die notwendigen Genehmigungen zu erhalten.

Man sollte sich bewusst sein, dass der gesamte Prozess sehr viel Zeit in Anspruch nimmt. Sobald die Pachtverträge ausgehandelt sind, liegt die Hauptarbeit beim Projektentwickler. Trotzdem kann es Jahre dauern, bis alle erforderlichen Gutachten – wie beispielsweise Wind-, Boden- und Vogelschutzgutachten – vorliegen und genehmigt sind. Es ist ein langwieriger Prozess, aber wenn er erfolgreich abgeschlossen ist, kann er äußerst lukrativ sein und den Forstbetrieb auf lange Sicht absichern.

6. Welche konkreten Empfehlungen würden Sie anderen Waldbesitzern geben, die daran interessiert sind, ihre Waldflächen effizienter zu nutzen? Gibt es bewährte Praktiken oder Erfahrungen aus Ihrer eigenen Arbeit, die Sie teilen könnten?

M. Sayn-Wittgenstein: Die potenziellen Möglichkeiten, weitere Erträge zu erzielen, habe ich bereits erwähnt. Wie gesagt, es kann sein, dass die Flächen gut genug liegen für Windkraftanlagen oder Photovoltaik. Man sollte auf jeden Fall schauen, dass man Ökopunkte generiert und CO2-Zertifikate erhält, wenn man aufforstet, um diese veräußern zu können.

Es ist jedoch schwierig, all diese Themen selbst abzudecken. In der Regel sollte man jemanden hinzuziehen, der einen in diesen Bereichen unterstützen kann. Eine nützliche Ressource ist beispielsweise die Webseite „ökopunktemarkt.de“. Diese Plattform kann helfen, wenn es Potenzial für die Flächen gibt. Die Webseite nimmt direkt Kontakt mit einem auf und bietet eine Einschätzung, was auf den Flächen machbar ist oder nicht.

Man sollte auch lokal nach möglichen Wegen suchen, um zusätzliche Erträge zu erzielen. Allerdings ist professionelle Beratung oft unerlässlich. Es ist ratsam, sich nicht vollständig auf sich selbst zu verlassen. Man benötigt Berater und Experten, die den Markt kennen und einem Möglichkeiten aufzeigen können. Ohne diese Unterstützung ist es schwierig, solche Projekte erfolgreich umzusetzen.